24.09.2019
Eine Studie des Österreichischen Ökologie-Instituts gemeinsam mit dem Marketing Campus Wieselburg der FH Wiener Neustadt und den Lebensmittel-Clustern OÖ und NÖ erhob erstmals die Zahlen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen in der österreichischen Lebensmittelproduktion. Damit ist diese Lücke entlang der Wertschöpfungskette von Lebensmitteln geschlossen.
Das Interesse der ProduzentInnen entlang der gesamten Wertschöpfungskette nachhaltig verantwortungsvoll zu agieren und zu produzieren steigt: Internationale Konzerne planen ihren Abfall bis 2025 zu halbieren. Bislang ließen drei internationale Studien aus Deutschland, Schweden und der Schweiz nur eine grobe Abschätzung über Mengen und Gründe von Lebensmittelabfällen in der österreichischen Lebensmittelproduktion zu. Die Notwendigkeit einer fundierten Studie über die Menge und Zusammensetzung der Lebensmittelabfälle in der österreichischen Lebensmittelproduktion war ein zentrales Ergebnis des Stakeholderdialogs „Lebensmittel sind kostbar“ des BMLFUW.
Die Erhebungen des Österreichischen Ökologie-Instituts ergaben, dass jährlich rund 121.800 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle in der Lebensmittelproduktion anfallen – fast die Hälfte davon in der Branche Backwaren (51.700 Tonnen). 35.600 Tonnen davon sind Brot und Gebäck, die der Lebensmitteleinzelhandel im Zuge von freien Retourwaren an die Produzenten zurückschickt.
Abzüglich der Retourwaren Brot und Gebäck ergeben sich rund 86.200 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle in der Lebensmittelproduktion!
Vermeidbare Lebensmittelabfälle sind z.B. fertig verpackte Produkte, überlagerte Lebensmittel oder Retour- und freie Kommissionsware sowie verzehrfähige Rohprodukte, die aus verschiedenen Gründen entsorgt werden müssen. Ursachen für das Entstehen von vermeidbaren Lebensmittelabfällen sind: der Herstellungsprozess an sich, Retourwaren, Fehl- und Überproduktion, Qualitätssicherung wie Rückstellmuster und Laborproben, Transport- und Lagerungsschäden.
Die Lebensmittelproduktion entwickelte bereits erfolgreich Maßnahmen, um Lebensmittelabfälle zu vermeiden: Re-Work und Weiterverarbeitung von Nebenprodukten, Investition in effiziente Technologie, Kontrolle der Lagerstände, Zielvorgaben und Monitoring von Retourwaren, Schulungen der MitarbeiterInnen, Weitergabe von nicht marktfähigen Lebensmitteln an MitarbeiterInnen, Verarbeitung in der Betriebskantine oder Spenden an soziale Einrichtungen.
Trotz aller bereits umgesetzten Maßnahmen empfiehlt das Österreichische Ökologie-Institut rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine Weitergabe von Lebensmitteln erleichtern. Produkte, die nicht marktfähig aber genusstauglich sind, sollen vermehrt sozialen Einrichtungen gespendet werden, auch wenn es sich um Markenprodukte oder Eigenmarken der Handelsketten handelt.
In der österreichischen Lebensmittelproduktion entstehen 1,3 Mio. Tonnen nicht vermeidbare organische Nebenprodukte, Reststoffe oder Abfälle pro Jahr. Rechnet man vermeidbare Lebensmittlabfälle und organische Nebenprodukte zusammen, ergibt das eine Gesamtsumme von rd. 1,4 Mio. Tonnen organisches Material pro Jahr.
Nicht vermeidbare organische Nebenprodukte, Reststoffe oder Abfälle entstehen im Zuge der Lebensmittelproduktion und sind für den menschlichen Verzehr nicht geeignet: z.B. Knochen, Blut, Schlachtabfälle, Sauermolke, Trester. Diese müssen entsprechend entsorgt, verwertet oder weiterverarbeitet werden.
Die österreichische Lebensmittelproduktion hat einen jährlichen Wareninput von 10 Mio. Tonnen und produziert Waren im Ausmaß von 8,6 Mio. Tonnen. Im Zuge der Herstellungsprozesse gehen 14 % des Inputs verloren, davon wären 1,2 % vermeidbar.
Lebensmittelabfälle entstehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – Landwirtschaft, Produktion, Handel, Gastronomie und Haushalte. Bisher gab es noch keine fundierten Daten zu Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion sowie bestimmten Entsorgungswegen in Haushalten (Eigenkompostierung, Kanal, ...). Österreich bekennt sich zum Ziel der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung: Die vermeidbaren Lebensmittelabfälle sollen sich bis 2030 um bis zu 50 % reduzieren.[1] Doch dafür benötigt man valide Zahlen. Die aktuell erhobenen Daten aus der österreichischen Lebensmittelproduktion ergänzen die bisher bekannten Zahlen an vermeidbaren Lebensmittelabfällen und schließen eine Lücke: Jährlich entstehen 577.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle entlang der Wertschöpfungskette. Weiterhin unbekannt ist die Menge und Zusammensetzung der Lebensmittelabfälle in der Landwirtschaft.
Die größte Menge an vermeidbaren Lebensmittelabfällen verursachen private Haushalte. Dann folgt die Außer-Haus-Verpflegung, die sich in Gemeinschaftsverpflegung, Beherbergung, Gastronomie und sonstige Gastronomie unterteilt (in der Darstellung von unten nach oben).
Die Studie wurde durchgeführt von DI Philipp Hietler und DI Christian Pladerer, Österreichisches Ökologie-Institut, in Kooperation mit FH Wiener Neustadt für Wirtschaft und Technik GmbH - Campus Wieselburg, Lebensmittel-Cluster Oberösterreich, Lebensmittel Cluster Niederösterreich und pulswerk GmbH. Gefördert von der Abfallvermeidungsförderung der Sammel- und Verwertungssysteme unterstützt von Reclay UFH. Das Projekt wurde von folgende Stakeholder begleitet: BMLFUW, Arbeiterkammer, ECR- Efficient Consume Response, Envicient OG, WKO- Fachverband Lebensmittelindustrie
DI Philipp Hietler
hietler@ecology.at
Tel.: +43/6991/523 61 02
Quellen und Links:
Broschüre „Abfallvermeidung in der österreichischen Lebensmitteproduktion“:
Website: http://ecology.at/lebensmittelabfaelle_ind_aoeli.htm
Branchenbericht Lebensmittel und Getränkeerzeugung. Bank Austria Economics & Market Analysis Austria. Hrsg. UniCredit Bank Austria AG, Oktober 2015
Aufkommen an Lebensmittelverderb im österreichischen Lebensmittelhandel. Endbericht im Auftrag der ECR-Arbeitsgruppe Abfallwirtschaft. Lebersorger, Schneider, 2014
Vereinbarung 2017-2030 – Zur Vermeidung von Lebensmittelabfällen bei Lebensmittelunternehmen, BMLFUW, Wien, 2017