Lebensmittelabfälle entlang der Wertschöpfungskette in Österreich

Gastbeitrag von DI Philipp Hietler, Österreichisches Ökologie-Institut

DI Philipp Hietler © Österreichisches Ökologie-Institut
DI Philipp Hietler © Österreichisches Ökologie-Institut
Abbildung 1: Vermeidbare Lebensmittelabfälle entlang der Wertschöpfungskette in Österreich © Österreichisches Ökologie-Institut
Abbildung 1: Vermeidbare Lebensmittelabfälle entlang der Wertschöpfungskette in Österreich © Österreichisches Ökologie-Institut

11.12.2020

Laut neuesten Schätzungen landen in Österreich pro Jahr rund eine Million Tonnen genießbarer Lebensmittel im Müll, fast 50 Prozent davon in den privaten Haushalten. Besonders Brot und Backwaren sowie Obst und Gemüse landen statt in unseren Mägen in unseren Mülltonnen.

Die globale COVID-19 Pandemie und Maßnahmen zu ihrer Eindämmung haben die Nahrungsmittelversorgung weltweit verändert. Hamsterkäufe, leere Supermarktregale, geschlossene Restaurants und fehlende Erntehelfer*innen stellen auch in Österreich die gesamte Wertschöpfungskette vor erhebliche Herausforderungen. Gerade jetzt ist es besonders wichtig, genau hinzuschauen und aktiv gegen die Verschwendung wertvoller Lebensmittel vorzugehen.

Abfallvermeidung ist der oberste Grundsatz der europäischen Abfallpolitik. Insbesondere die Reduktion von vermeidbaren Lebensmittelabfällen ist aus ethischen, ökologischen, sozialen und ökonomischen Gründen zu priorisieren.

Österreich bekennt sich zum Ziel der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, bis zum Jahr 2030 vermeidbare Lebensmittelabfälle pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene um 50 % zu reduzieren und die entlang der Produktions- und Lieferkette entstehenden Lebensmittelverluste einschließlich Nachernteverluste zu verringern.

Lebensmittelabfälle entstehen entlang der gesamten Wertschöpfungskette – Landwirtschaft, Produktion, Handel, Gastronomie und Haushalte. Laut neuesten Schätzungen landen in Österreich pro Jahr rund eine Million Tonnen genießbarer Lebensmittel im Müll. Die vermeidbaren Lebensmittelabfälle verteilen sich entlang der Wertschöpfungskette (siehe Abbildung 1) wie folgt:

  • Landwirtschaft: 167.000 Tonnen pro Jahr1)
  • Lebensmittelproduktion inklusive Retouren Brot und Gebäck: 121.800 Tonnen pro Jahr2)
  • Lebensmittelhandel (Einzel- und Großhandel): 89.500 Tonnen pro Jahr3)
  • Außer-Haus-Verpflegung: 175.000 Tonnen pro Jahr4)
  • Private Haushalte: 521.000 Tonnen pro Jahr5)

1) Hrad et al., (2016) – Universität für Bodenkultur, Institut für Abfallwirtschaft
2) Hietler P. und Pladerer C. (2017) – Österreichisches Ökologie-Institut
3) BMNT (2018) und Hietler P. und Pladerer C. (2019) – Österreichisches Ökologie-Institut
4) Hrad et al. (2016) – Universität für Bodenkultur, Institut für Abfallwirtschaft
5) Schneider et al. (2012) und Obersteiner G. und Luck S. (2020) – Universität für Bodenkultur, Institut für Abfallwirtschaft

Knapp die Hälfte der Verschwendung entsteht demnach mit 521.000 Tonnen direkt zu Hause, wie eine aktuelle Studie des Instituts für Abfallwirtschaft der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) in Zusammenarbeit mit der Umweltschutzorganisation WWF Österreich zeigt.

Brot und Backwaren ist neben Obst- und Gemüse entlang der gesamten Wertschöpfungskette eine der Warengruppen, wo besonders viele Abfälle anfallen. Unsere Wertschätzung gegenüber Brot erlebt im 21. Jahrhundert einen drastischen Rückgang: War Brot einst das Grundnahrungsmittel schlechthin und sogar als Belohnung für herausragende Taten überreicht, so ist es heute ein Wegwerfprodukt der Überproduktion. Semmeln können bereits um 15 Cent im Supermarkt erworben werden. Rechnet man nicht nur die Privathaushalte, sondern auch die Produktion und den Lebensmittelabfall in den Supermärkten mit ein, beläuft sich die jährliche Menge an verschwendetem Brot und Gebäck auf etwa 210.000 Tonnen alleine in Österreich. Nicht erhoben ist die Menge der Abfälle in der Außerhausverpflegung, Tourismus und Gastronomie.

Die Gründe für die Entstehung von vermeidbaren Lebensmittelabfällen sind vielfältig und das Problem kann nur durch einen umfassenden Maßnahmenmix in den Griff bekommen werden.

Der Autor:
DI Philipp Hietler arbeitet im Themenbereich "Ressourcenmanagement" beim Österreichischen Ökologie-Institut in Wien.
E-Mail: hietler@ecology.at  
www.ecology.at 

Quellen:
Hietler P. und Pladerer C. (2019), Abfallvermeidung im österreichischen Lebensmittelgroßhandel, Österreichisches Ökologie-Institut, in Kooperation mit WWF Österreich und KASTNER, Wien, 2019

Hietler P. und Pladerer C. (2017), Abfallvermeidung in der österreichischen Lebensmittelproduktion, Österreichisches Ökologie-Institut, in Kooperation mit Lebensmittelcluster OÖ, Lebensmittelcluster und der FH Wr. Neustadt, Campus Wieselburg, finanziert durch die Abfallvermeidungs-Förderung der Sammel- und Verwertungssysteme für Verpackungen mit Unterstützung von Reclay Österreich GmbH, 2017

Obersteiner G. und Luck S. (2020), Lebensmittelabfälle in österreichischen Haushalten – Status Quo, Universität für Bodenkultur, Department für Wasser – Atmosphäre – Umwelt, Institut für Abfallwirtschaf, in Kooperation mit WWF Österreich, Wien, 2020


Das könnte Sie auch interessieren:

Innovationen für
Gemeinschaftsverpflegung

SCCH Projekt intelligente
Trinkwassernetzwerke