24.08.2022
„Erdgas ist zum Zünglein an der Waage geworden. Fehlt der Energie- und Düngermittelrohstoff Gas hat das weitreichende Folgen für die Lebensmittelproduktion. Damit betrifft eine Düngermittel-Krise nicht nur die Bäuerinnen und Bauern, sondern auch jeden einzelnen in der Bevölkerung. Fehlt der Dünger, sinken die Ernten, steigen die Preise – vor diesem Hintergrund muss die mineralische Düngermittelproduktion als systemrelevant eingestuft werden.“
Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger
Geliebt, gehasst, gefragt: Die Verfügbarkeit und der Preis von Erdgas bestimmen aktuell die Politik und auch den internationalen Finanzmarkt. Fast täglich beherrschen Meldungen über die nationalen Füllstände, Wartungsarbeiten an Pipelines oder auch die Gas-Notfallpläne der einzelnen Staaten, die Medien.
Der Inflationstreiber Erdgas beeinflusst aber auch bereits das tägliche Leben der Bürger:innen. Gestiegene Lebenshaltungskosten in Österreich und dem Rest der EU sind Ausfluss der „Energie-Diplomatie“ Russlands gegenüber der westlichen Welt.
„Erdgas ist zur politischen Waffe geworden und wir alle, die von dieser Energiequelle abhängig sind, können sich den Auswirkungen dieser Entwicklung nicht entziehen – zumindest noch nicht. Investitionen in neue, erneuerbare Energiequellen werden auf Hochtouren getätigt. Vor allem die Landwirtschaft trägt ihren Teil zur grünen Wende bei. Bäuerliche Photovoltaik-, Biomasse- und Biogas-Anlagen entstehen überall im Land und liefern Energie für den eigenen und die umliegenden Haushalte“, schildert Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger.
Sie macht aber auch darauf aufmerksam, wie sehr die heimische Landwirtschaft mit den Folgen der unsicheren Gas-Versorgung kämpft:
„Die Preise für Betriebsmittel sind enorm gestiegen. Ob für Futtermittel, Pflanzenschutzmittel oder Dünger – die Bäuerinnen und Bauern zahlen für alles Rekordpreise. Die wirtschaftliche Situation auf den landwirtschaftlichen Betrieben ist dadurch herausfordernder denn je.“
Direkte Auswirkung der prekären Gas-Situation seien vor allem horrend gestiegene Düngermittelpreise.
„Wer glaubt, dass dies nur die Bäuerinnen und Bauern betrifft, der irrt gewaltig. Fehlt es heute an Dünger, bekommen das Menschen überall auf der Welt zu spüren, weil die Ernten geringer ausfallen. Werden Pflanzen nicht ausreichend mit Nährstoffen versorgt, können sie sich nicht optimal entwickeln.“
Erdgas ist eine der zentralen Ausgangsstoffe für die technische Produktion von mineralischen Düngermitteln.
„Fließt kein Gas, gibt es auch keinen Dünger für die landwirtschaftlichen Betriebe. Leitungssysteme wie Nordstream-1 sind damit nicht nur eine Gas-Transportinfrastruktur, sondern auch im weiteren Sinn Pipelines für die Düngermittelproduktion. Steht diese Pipeline, sind nicht nur die Ernten im kommenden Jahr gefährdet, sondern auch die Versorgungssicherheit mit leistbaren Lebensmitteln.“
Düngermittel aus anderswo zu importieren, ist ebenso unrealistisch. Denn auch hier heißt, der große Player Russland. Etwa ein Viertel der in Europa eingesetzten NPK-Dünger[1] kam aus Russland – bis das Land einen Exportstopp verhängte.
„Die Herbstaussaat auf Oberösterreichs Feldern naht. Bleibt Mineraldünger weiter für die Landwirtinnen und Landwirte unerschwinglich oder fällt gar die Produktion aus, dann werden wir geringere Ernten und Qualitäten sehen“, so Agrar-Landesrätin Langer-Weninger.
Um das deutlich zu machen, rechnet sie vor:
„Eine Halbierung des Düngers führt zu einer Ertragsreduktion von ca. einem Viertel. Wenn wir also über Gas-Notfallpläne und Systemrelevanz reden, müssen wir auch im Kopf haben, dass Dünger für die Lebensmittelversorgung verantwortlich ist. Hier ist die Bundesregierung gefordert, dies für die Bevölkerung im Ernstfall sicherzustellen.“
Das Thema Düngermittelproduktion hat zuletzt auch durch den Verkauf der Borealis-Stickstoff-Sparte an den Chemiekonzern Agrofert viel Aufmerksamkeit bekommen. Befürchtungen, dass dadurch die heimische Düngermittelproduktion und -versorgung gefährdet würden, wurden laut. Erste Gespräche mit Vertretern von Agrorfert konnten diesen Eindruck relativieren. Dennoch will Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger die Übernahme mit Argusaugen verfolgen und wettbewerbsrechtlich prüfen lassen:
„Ich freue mich zwar, dass die Gesprächsbasis mit der Agrofert-Gruppe gut ist und wir im Austausch über die weiteren Schritte bleiben. Eine kartellrechtliche Prüfung bleibt für mich weiter eine Grundvoraussetzung, von der ich unter keinen Umständen abrücken werde.“
Oberösterreichs Agrar-Landesrätin macht aber auch klar, dass das aktuell drängendste Problem der heimischen Düngermittelproduktion die Gas-Versorgung und nicht die Eigentümerfrage ist:
„Kommt kein Gas aus der Pipeline, wird in Linz weder unter Borealis, noch unter Agrofert, Stickstoffdünger produziert!“
[1] Zur Erklärung: NPK-Dünger ist der am Häufigsten eingesetzte mineralische Dünger. Er enthält als Hauptelemente die Pflanzennährstoffe Stickstoff (N), Phosphor (P) und Kalium (K).